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Wandern in Norwegen

„Natur pur“ zum Nulltarif

Von Karin Katzenberger-Ruf
Nach dem Sprung in den Gebirgsbach bleibt einem erst mal die Luft weg. Hat das Wasser zehn Grad, zwölf oder vielleicht nur acht? Trotz Neoprenanzug und Helm ist selbst der kurze Aufenthalt im kühlen Nass gewöhnungsbedürftig. Aber wir wollten ja unbedingt „Canyoning“ ausprobieren, vom Fels in den Bach springen, Strudel entlang rutschen und über spiegelglatte rundgewaschene Steine balancieren.

Besagte Strudel erweisen sich als prima „Wasserrutsche“ und die Füße nach vorn, die Arme über der Brust gekreuzt, kann da eigentlich nichts passieren. Am Ende der Rutsche gibt`s erneut ein erfischendes Bad im Gebirgsbach, der in den Fluss Otta mündet. Es ist Anfang September in Norwegen und unser Ausgangspunkt ist das Bergdorf Lom. Bekannt ist das Dorf unter anderem durch seine hölzerne „Stabkirche“ aus dem 13. Jahrhundert. Es gibt außerdem ein Museum, das die Schönheiten des Landstrichs dokumentiert.  Eine Woche vor unserer Ankunft  soll es dort bereits geschneit haben. Doch uns begleitet fünf Tage lang ein „Zwischenhoch“ mit Temperaturen von bis zu 20 Grad und darüber.

Das ist auch ideales Wanderwetter. Von Lom aus sind es noch einige Kilometer bis zum Ausgangspunkt für eine ganztägige Wanderung entlang der „Vaderekka“, einem durch rund 300 Steinhaufen markierten Weg, der neben der Straße über den Pass über das Gebirge Sognefjellet führt und als Reise- und Pilgerweg seinen Ursprung im Mittelalter hat. Moose und Wollgras oder die nur langsam wachsende Gelbflechte (die in einem Jahrhundert angeblich nur einen Zentimeter zulegt), säumen den Weg. Im Gebirge „Jontunheimen“ (das Wort ließe sich in etwa mit „Heimat der Riesen“ übersetzen und „Fjellet“ heißt so viel wie „Hochgebirge“) sind die Berge bis etwa 2.500 Meter hoch, Bäume wachsen schon ab etwa 800 Meter nicht mehr. Ziel ist das rund 900 Meter hoch gelegene Turtagro. Das sei „kein Ort, nur ein Hotel „inmitten der umliegenden Berge“ heißt es in einer Reisebeschreibung. Schon etwas seit dem Jahr 1880 ist Turtagro als Herberge im Familienbesitz, Treffpunkt für Bergsteiger, Kletterer und Ski-Tourengeher. Als wir vor Ort sind, ist die „Hütte“ voll. Im Haupthaus, das architektonisch gesehen futuristische Züge hat, gibt es über 100 Betten. Im Speisesaal, der ein bisschen an „Jugendherberge“ erinnert, essen die Gäste in zwei Schichten zu Abend.

Nicht nur an diesem Ausgangspunkt für allerlei Aktivitäten gilt: Der „Ideal-Norweger“ ist durchtrainiert... Utladalen, das Tal der Wasserfälle nahe am Sognefjord, durchwandern Einheimische quasi im Laufschritt. Das ist „Nordic Walking“ ohne Stöcke... Auf einem stetig ansteigenden geteerten Weg und schließlich über Stock und Stein  erreicht man in etwa anderthalb Stunden den Wasserfall Vettisfossen, 275 Meter hoch und der höchste „naturbelassene“ in Norwegen. Also einer, der nicht für die Stromerzeugung in einem Kraftwerk genutzt wird. Im September gleicht er  aus einiger Ferne trotz der beeindruckenden Fallhöhe eher einem Rinnsal. 

Wir lassen uns an seinem Fuß zu einem Picknick nieder, glauben gern, dass er auch anders kann und stellen uns vor, wie es wäre, an tosendem Wasser zu sitzen. Ausgangspunkt der Wanderung ist der Ort Ardal beziehungsweise das „Utladaten Naturhus“ als Teil eines alten Gehöfts, in dem eine Dauerausstellung über das Naturschutzgebiet präsentiert wird. In Ardal gibt es eine Aluminiumfabrik, die bis in die 80-er Jahre des letzten Jahrhunderts offenbar für erhebliche Umweltprobleme sorgte. Diese Zeiten sind zum Glück vorbei. Als um 1947 die Aluminiumsfabrik entstand, musste auch ein Kraftwerk her. Dieses ist über eine immer enger werdende Straße mit 42 Spitzkehren zu erreichen. Vom Berg aus hat man eine faszinierende Aussicht auf den Sognefjord, der sich von der Küste aus über 200 Kilometer in die Landschaft gräbt und der größte Norwegens ist. Die Wandersaison im hohen Norden ist kurz, dauert nur wenige Wochen. Einige Gebiete im Hochgebirge sind über Winter gar nicht zugänglich. So gesehen erklären sich die relativ hohen Übernachtungspreise in den Hotels, Ferienwohnungen sind preiswerter. Wer essen gehen will, muss sich das einfach leisten wollen. „natur pur“ gibt`s dafür zum Nulltarif.
 
Info: Allgemeine Informationen über die Gegend unter www.sognefjord.no/de , www.sognefjellet.com sowie www.visitjotunheimen.com/de.